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Was die Gesellschaft zusammenhält und was öffentlich-rechtliche Medien dazu beitragen

Große Aufgabe für ARD, ZDF und Deutschlandradio

Studie zeigt Sorge um Zusammenhalt in Deutschland / Junges Publikum attestiert öffentlich-rechtlichen Medien besonders wichtige Rolle

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland haben laut einer aktuellen Studie Sorge, dass unsere Gesellschaft auseinanderfällt. Gleichzeitig schätzen sie den Beitrag öffentlicher Medien für den Zusammenhalt als hoch ein, ganz besonders die jungen Menschen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den gesetzlichen Auftrag, den Zusammenhalt im Land zu fördern. Das erwarten auch 82 Prozent der Menschen hierzulande. ARD, ZDF und Deutschlandradio kommt damit eine wichtige Rolle in einem schwierigen gesellschaftlichen Umfeld zu: Auch wenn eine deutliche Mehrheit der Deutschen die Demokratie für eine gute Staatsform hält, ist nur jeder Dritte mit dem aktuellen Zustand der Demokratie zufrieden.

Diese Ergebnisse stammen aus einer repräsentativen Studie, die das Leibniz-Institut für Medienforschung, das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Mindline Media gemeinsam mit ARD, ZDF und Deutschlandradio im Frühjahr 2025 durchgeführt haben.

ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler: „Als öffentlich-rechtliche Medien tragen wir mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine besondere Verantwortung. Natürlich müssen wir Missstände benennen und über Konflikte berichten. Aber wir sollen auch den Austausch in der Gesellschaft ermöglichen und wollen damit Zuhörer, Vermittler und Brückenbauer sein. Diese Verantwortung ist im Medienstaatsvertrag festgeschrieben. Sie ist mehr als ein gesetzlicher Auftrag. Sie ist ein gesellschaftliches Versprechen.“

Laut Studie schätzen die Menschen auch das bisherige Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hoch ein: Bei der Frage, welche gesellschaftlichen Einrichtungen einen Beitrag zum Zusammenhalt im Land leisten, landen ARD, ZDF und das Deutschlandradio auf Platz vier von zwölf genannten Institutionen – nach Sportvereinen, Wissenschaft und Bundesverfassungsgericht – und auf Platz eins der genannten Medien.

Konkret erwarten die Menschen von den öffentlich-rechtlichen Medien vor allem, dass sie „unabhängige und geprüfte Informationen bereitstellen“ (86 Prozent), dass sie „dazu beitragen, dass unterschiedliche Gruppen unserer Gesellschaft miteinander ins Gespräch kommen“ (83 Prozent) und dass sie „die Vielfalt möglicher Meinungen, Lebensweisen und Gemeinschaften in unserer Gesellschaft abbilden“ (80 Prozent).

Viele dieser Erwartungen werden bereits erfüllt. Insbesondere beim Vertrauen in die journalistische Unabhängigkeit und bei der Qualität der Information schneiden die öffentlich-rechtlichen Medien gut ab. Junge Menschen (14 bis 24 Jahre) beurteilen die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Medien besonders positiv: Sie betonen, dass Themen behandelt werden, die für die Gesellschaft wichtig sind (79 Prozent) und dass die Sender zu Gesprächen in der Familie oder mit Freunden anregen (68 Prozent).

[die gesamte Pressemitteilung anzeigen]

Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue: „Die Studie belegt das hohe Vertrauen der Menschen in die journalistischen Angebote der öffentlich-rechtlichen Programme. Vertrauen ist aber kein Selbstläufer – deshalb suchen wir aktiv den Dialog mit der Gesellschaft und ganz besonders mit jungen Menschen. In unseren Funkhäusern und bei Veranstaltungen in ganz Deutschland machen wir transparent, wie wir arbeiten und nach welchen hohen journalistischen Standards wir berichten.“

Luft nach oben gibt es u.a. beim Thema Vielfalt und Dialog. So stimmen nur 59 Prozent der Befragten der Aussage zu, die öffentlich-rechtlichen Medien „richten sich an alle Menschen in Deutschland“. Lediglich 44 Prozent sind der Meinung, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio Dialogangebote zum eigenen Programm machen.

ARD-Vorsitzender Florian Hager: „Wir sind für alle da – und das soll sich idealerweise auch für alle so anfühlen. Die Menschen finanzieren uns gemeinschaftlich und wir sollten ihnen eine größere Teilhabe an „ihrem“ Rundfunk ermöglichen. Durch unser Programm, durch geschützte Dialogräume oder auch öffentliche Pop-Up-Redaktionen, über die wir in den Austausch kommen. Für ein gesundes Miteinander, für respektvolle Debatten in einer pluralistischen Gesellschaft.“

Trotz der Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt berichten zwei Drittel der Befragten von einem starken Zugehörigkeitserleben in ihrem persönlichen Umfeld. Dabei fühlen sich Stammnutzerinnen und Stammnutzer von ARD, ZDF und Deutschlandradio gesellschaftlich eher eingebunden und engagieren sich mehr für die Gesellschaft – etwa ehrenamtlich vor Ort in einem Verein, einer Bürgerinitiative, der freiwilligen Feuerwehr oder der Kirche.

Die Ergebnisse der Studie "Was die Gesellschaft zusammenhält und was öffentlich-rechtliche Medien dazu beitragen" werden am 17. September im Rahmen einer Veranstaltung in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt vorgestellt und diskutiert.

Der Deutschlandfunk überträgt die Veranstaltung ab 17 Uhr auf "Dokumente und Debatten" bundesweit über DAB+ und via Livestream im Internet live.

Phoenix zeigt einen Mitschnitt am Samstag, 20. September, um 13 Uhr.

Für die repräsentative Studie wurden 1.351 Personen ab 14 Jahren befragt. Informationen und Ergebnisse: ard-zdf-deutschlandradio-zusammenhaltsstudie.de.

Fotos der Veranstaltung zum Download.

Pressekontakte:
ARD Kommunikation
Pressestelle@ard.de

ZDF Presse-Desk
Telefon: 06131 – 70-12108
pressedesk@zdf.de

Kommunikation Deutschlandradio
presse@deutschlandradio.de

Zentrale Ergebnisse

Hintergrund und Studiendesign

In den vergangenen Jahren haben in Deutschland wie in anderen westlichen Ländern Debatten um gesellschaftliche Polarisierung und Fragmentierung an Fahrt aufgenommen. Ein wesentlicher Faktor, der dabei regelmäßig zur Sprache kommt, ist der Wandel von gesellschaftlicher Öffentlichkeit, den insbesondere die digitalen Medien vorantreiben. Sie erweitern den Kreis der Personen und Gruppen, die Informationen und Inhalte aller Art öffentlich kommunizieren können. Dies erhöht einerseits die Vielfalt verfügbarer Themen und Meinungen, gibt andererseits aber auch Ansichten mehr Raum, die sich an der Grenze des demokratisch Tolerierbaren (oder darüber hinaus) bewegen. Hinzu kommt die Logik sozialer Medien, Inhalte auf Grundlage algorithmischer Personalisierung und nicht professionell-redaktioneller Qualitätskriterien zusammenzustellen und zu empfehlen. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass sich Grundbedingungen und Abläufe von Verständigungsprozessen derzeit fundamental verändern.

Öffentlich-rechtliche Medien sind seit ihren Anfängen wesentliche Infrastrukturen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ihre Programmaufträge enthalten diese auch als explizite Aufgabe, denn sie „haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration, den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den gesamtgesellschaftlichen Diskurs in Bund und Ländern fördern“ (§26 MStV). Vor diesem Hintergrund und angesichts der aktuellen Debatten haben ARD, ZDF und Deutschlandradio im Herbst 2024 mit der Konzeption einer empirischen Studie begonnen. Sie wurden dabei wissenschaftlich beraten vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut sowie dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt und mindline media, die die Befragung durchgeführt haben. Die Studie hat erstmals die Erwartungen und Wahrnehmungen der Menschen in Deutschland ermittelt, welche zusammenhaltsrelevanten Leistungen die öffentlich-rechtlichen Medien in Gänze erbringen bzw. erbringen sollten. An der repräsentativen Befragung, die von März bis April 2025 im Feld war, haben 1.351 Personen ab 14 Jahren aus Deutschland teilgenommen.

Zentrale Befunde der Studie:

Gesellschaftliche Einbindung und Einschätzung des Zusammenhalts

Im persönlichen Umfeld, etwa in der Familie, in Vereinen oder im Freundes- oder Kollegenkreis erlebt die Mehrheit der Menschen (67 %) in Deutschland ein eher starkes Gefühl von Zugehörigkeit und Zusammenhalt. Ein ähnlich hoher Anteil (69 %) berichtet auch, in den zurückliegenden 12 Monaten gesellschaftlich und politisch aktiv gewesen zu sein, etwa durch ehrenamtliches Engagement, durch Teilnahme an Demonstrationen oder in Form von Meinungsäußerungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen per Leserbrief und Online-Beiträgen. Folie 03

Die gesellschaftliche Lage sehen die Menschen in Deutschland aber mehrheitlich kritisch. Zwar befürwortet eine deutliche Mehrheit von 82 Prozent die Idee der Demokratie als Staatsform, und nur ein sehr kleiner Teil (3 %) lehnt sie ab. Doch nur ein Drittel (33 %) ist eher oder sehr zufrieden mit dem aktuellen Zustand der Demokratie in Deutschland. 37 Prozent sind hingegen eher oder sehr unzufrieden, 27 Prozent sind es „teils, teils“. Folie 04

Hinzu kommt, dass rund drei Viertel der Menschen (76 %) weitgehend bzw. voll und ganz der Ansicht sind, der gesellschaftliche Zusammenhalt sei gefährdet. Der Anteil der Menschen, die dieser Aussage voll und ganz zustimmen, steigt mit dem Alter an (21 % der 14- bis 24-Jährigen vs. 39 % der über-50-Jährigen) und ist bei Personen mit mittlerer formaler Schulbildung (43 %) am höchsten. Auch unter Menschen, die in Ostdeutschland (44 %) bzw. in Ortschaften mit weniger als 50.000 Einwohnern (37 %) leben, ist der Anteil höher. Folie 06

Über alle Befragten hinweg stimmen 73 Prozent zu, dass die sozialen Ungleichheiten so groß seien, dass sie den Zusammenhalt gefährden. Demgegenüber sind lediglich 40 Prozent der Ansicht, zu viele kulturelle Unterschiede würden dem Zusammenhalt in Deutschland schaden. Folie 05

Zusammensetzung des Publikums öffentlich-rechtlicher Medien

Welche Rolle spielt nun der öffentlich-rechtliche Rundfunk für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Zunächst zeigt sich, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio fast alle Menschen in Deutschland erreichen, nämlich 94 Prozent. 67 Prozent gehören zum Stammpublikum öffentlich-rechtlicher Medien, weil sie zumindest ein entsprechendes Angebot – einen öffentlich-rechtlichen Fernseh- oder Radiosender oder die öffentlich-rechtlichen Audio- und Mediatheken im Internet (ohne Social Media Angebote) – mindestes an vier Tagen in der Woche nutzen. Der Anteil des Stammpublikums ist unter den älteren Gruppen höher (77 % der 50- bis 69-Jährigen und 90 % der über 70-Jährigen zählen dazu). Aber auch unter den 14- bis 34-Jährigen sind knapp die Hälfte (46 %) regelmäßige Nutzerinnen und Nutzer öffentlich-rechtlicher Angebote. Folie 08

Der Anteil des Stammpublikums ist auch unter den Menschen höher, die sich ihrem näheren Umfeld stark verbunden und zugehörig fühlen (72 %). Die häufige Nutzung öffentlich-rechtlicher Medien geht also einher mit starker Einbindung im persönlichen Umfeld.  Folie 09

Zudem nahmen deutlich größere Anteile des Stammpublikums an der Bundestagswahl 2025 teil (86% vs. 76%), engagierten sich ehrenamtlich vor Ort (40 % vs. 21 %), haben in den letzten 12 Monaten Kontakt zu Politikerinnen und Politikern oder Amtspersonen aufgenommen (21 % vs. 8 %) oder einer politischen Organisation oder Gruppierung Geld gespendet (16% vs. 9%).  Folie 10

Um zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, ist es wichtig, möglichst alle Menschen in Deutschland zu erreichen. Nur wenn die Angebote öffentlich-rechtlicher Medien auch genutzt werden, können sie gesellschaftliche Wirkung entfalten. Öffentlich-rechtliche Medien bieten ein breites Angebot über vielfältige Ausspielwege an, um unterschiedliche Zugänge zu ihren Inhalten in einer zunehmend differenzierten Gesellschaft zu ermöglichen. Hierbei ist der Genremix aus Information und Unterhaltung von besonderer Bedeutung: Wenn öffentlich-rechtliche Medien auf unterhaltende Serien, Filme, Shows oder Musikformate verzichten würden, gibt fast die Hälfte der Menschen (45 %) in Deutschland an, deren Angebote unter diese Voraussetzung vermutlich nicht mehr nutzen zu wollen. Der Anteil ist bei den Menschen unter 50 Jahren etwas höher (49 %), bei Menschen, die in Ostdeutschland leben, etwas niedriger (43 %) Folie 11 und auch Menschen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt eher gefährdet sehen, wollen zu einem größeren Anteil nicht auf Unterhaltung verzichten (48 %). Folie 12

Beitrag öffentlich-rechtlicher Medien zum Zusammenhalt

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53 Prozent schreiben den öffentlich-rechtlichen Medien einen eher oder sehr hohen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu. Hinter Sportvereinen, der Wissenschaft und dem Bundesverfassungsgericht liegen sie auf Rang 4 der 12 abgefragten Institutionen und mit 53% an erster Stelle der Medienangebote (lokale und regionale Tageszeitungen 50 %; Private Radio- und Fernsehsender 35 %; soziale Medien wie Facebook, YouTube oder TikTok 32 %). Jüngere Menschen (14-24-Jährige; 66%) und das Stammpublikum öffentlich-rechtlicher Audio- und Mediatheken (69%) schätzen den Beitrag sogar deutlich höher ein. Bei diesen beiden Gruppen platzieren sich öffentlich-rechtliche Medien jeweils auf Rang 3.

Aber worin genau besteht der Beitrag der öffentlich-rechtlichen Medien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Die Vielzahl verschiedener Leistungen lässt sich auf drei grundlegende Aspekte zurückführen:

  1. Synchronisierung:
    Öffentlich-rechtliche Medien fokussieren in ihren Programmen die Aufmerksamkeit vieler Menschen gleichzeitig auf aktuell relevante Ereignisse und Themen. Daraus kann Zusammenhalt resultieren, weil man mit anderen Menschen Kenntnisse, Wissen und (Medien-)Ereignisse teilt und zugleich unterstellen kann, dass diese Erfahrung auch bei anderen Menschen vorliegt.
  2. Repräsentation:
    Öffentlich-rechtliche Medien bilden unterschiedliche Lebensweisen und Positionen ab, und sie verschaffen unterschiedlichen Ansichten und Anliegen Gehör. Daraus kann Zusammenhalt resultieren, weil sich Menschen in ihren eigenen Interessen und Werten gesehen fühlen, zugleich aber auch erfahren, dass es andere Weltbilder und Meinungen gibt, die in einer vielfältigen demokratischen Gesellschaft gleichberechtigt existieren.
  3. Dialog:
    Öffentlich-rechtliche Medien stellen „Kommunikationsräume“ bereit, in denen unterschiedliche Positionen nicht nur nebeneinanderstehen, sondern miteinander ins Gespräch kommen. Zugleich sind sie ansprechbar für Anliegen und Vorschläge der Bürger*innen. Daraus kann Zusammenhalt resultieren, weil die Verständigung über wahrgenommene Probleme, geteilte Ziele und akzeptierte Wege zu ihrer Lösung möglich wird.

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Die Studie hat für diese drei Aspekte sowohl nach den Erwartungen als auch nach der Wahrnehmung entsprechender Leistungen gefragt. Die Ergebnisse zeigen erstens, dass die Menschen in Deutschland sehr hohe Erwartungen an öffentlich-rechtliche Medien haben. 82 Prozent erwarten, dass öffentlich-rechtliche Medien ganz allgemein zum Zusammenhalt beitragen sollen.  In Hinblick auf Synchronisierungsleistungen erwarten 88 Prozent der Befragten, dass die öffentlich-rechtlichen Medien Themen und Ereignisse behandeln, die derzeit für die Gesellschaft wichtig sind, und 86 Prozent erwarten, dass sie unabhängige und geprüfte Informationen bereitstellen. In Hinblick auf Repräsentation erwarten 80 Prozent, dass öffentlich-rechtliche Medien die Vielfalt möglicher Meinungen, Lebensweisen und Gemeinschaften abbilden. Dass die jeweils eigenen persönlichen Interessen und Lebensweisen abgebildet werden, erwarten hingegen nur 49 Prozent von den öffentlich-rechtlichen Medien. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Werten ist ein Hinweis darauf, dass ein Teil der Bevölkerung darauf verzichten kann, selbst dort repräsentiert zu sein, solange gesellschaftliche Vielfalt ausreichend abgebildet ist. In Hinblick auf Dialog schließlich erwarten 83 Prozent, dass öffentlich-rechtliche Medien unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen ins Gespräch miteinander bringen. 73 Prozent erwarten Dialog-Angebote für den Austausch mit dem Publikum. Folie 15

Wahrnehmung zusammenhaltsbezogener Leistungen

Die Studie zeigt zweitens, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio die Erwartungen aus Sicht des Publikums in vielen Fällen auch erfüllen. Besonders bei der Synchronisation von Aufmerksamkeit auf gesellschaftlich relevante Themen und Ereignisse sowie bei der Repräsentation schneiden die öffentlich-rechtlichen Medien gut ab.

So sind beispielsweise 77 Prozent der Befragten „weitgehend“ oder „voll und ganz“ der Ansicht, öffentlich-rechtliche Medien berichten von wichtigen politischen, gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Großereignissen, die viele Menschen interessieren. 71 Prozent stimmen zu, dass öffentlich-rechtliche Medien Themen behandeln, die für die Gesellschaft wichtig sind. 65 Prozent sagen, dass öffentlich-rechtliche Medien einen guten Mix aus Informationen und Angeboten zur Unterhaltung und Entspannung bieten. Und 64 Prozent stimmen „weitgehend“ oder „voll und ganz“ zu, dass öffentlich-rechtliche Medien Zusammenhänge und Hintergründe erklären, um aktuelle Entwicklungen besser verstehen und einordnen zu können. Schließlich sagen 63 Prozent der Bevölkerung, dass öffentlich-rechtliche Medien mit ihren Sendungen wichtige Werte unserer Gesellschaft wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Toleranz vermitteln.

Folie 18Beispielhafte repräsentationsbezogene Leistungen sind etwa, dass öffentlich-rechtliche Medien Menschen mit Beeinträchtigungen über barrierefreie Angebote, wie z.B. Untertitel, leichte Sprache, Gebärdensprache oder reine Hörfunkfassungen unterstützen (66 Prozent Zustimmung), vielfältige Geschichten über Menschen in Deutschland und Europa bringen (65 % Zustimmung) und dass sie in ihren Programmen darauf achten, dass Menschen nicht ausgegrenzt oder respektlos behandelt werden (64 %). Weitere 59 Prozent stimmen zu, dass sich Angebote von öffentlich-rechtlichen Medien an alle Menschen in Deutschland richten (59 % Zustimmung), sich mit unserer Geschichte und unseren Traditionen beschäftigen (57 %) oder das Verständnis für andere Menschen fördern (54 Prozent).

Bei den Aspekten, die mit der Dialogfunktion verbunden sind, fallen die Leistungs­wahr­nehmun­gen in der Tendenz etwas schwächer aus. 63 Prozent sind der Ansicht, dass öffentlich-rechtliche Medien es mit ihren Talk- und Gesprächssendungen schaffen, relevante gesellschaft­liche Themen zu behandeln. 60 Prozent stimmen zu, dass die Angebote zu Gesprächen in der Familie oder mit Freunden anregen, und 57 Prozent sind der Ansicht, öffentlich-rechtliche Medien lassen viele unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, Meinungen und Anschauungen zu Wort kommen. Aber lediglich 47 Prozent stimmen zu, dass positive Beispiele gezeigt werden, wie Konflikte und Probleme bewältigt werden können. Und weniger als die Hälfte der Befragten (44 Prozent) sind der Ansicht, dass öffentlich-rechtliche Medien Dialogangebote machen, über die das Publikum seine Meinung zum Programm sagen kann. Hier liegen Potentiale, die bestehenden Angebote bekannter zu machen und gegebenenfalls auszubauen.

Gruppenunterschiede in der Wahrnehmung zusammenhaltsbezogener Leistungen

Folie 19Mit Blick auf junge Zielgruppen zeigt sich, dass die 14–24-Jährigen in vielen Fällen die zusammenhaltsbezogenen Leistungen positiver wahrnehmen als ältere Befragte. So stimmen etwa 79 Prozent dieser Altersgruppe zu, dass öffentlich-rechtliche Medien Themen behandeln, die für die Gesellschaft wichtig sind (vs. 69 % bei den ab 25-Jährigen), und 73 Prozent stimmen zu, dass öffentlich-rechtliche Medien mit ihren Sendungen wichtige Werte unserer Gesellschaft wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Toleranz vermitteln (vs. 62 % bei den ab 25-Jährigen). 68 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die öffentlich-rechtlichen Angebote zu Gesprächen in der Familie oder mit Freunden anregen (vs. 58 % bei den ab 25-Jährigen). Dass Themen behandelt werden, die „für mich wichtig sind“, sagen jüngere Befragte ebenfalls häufiger als ältere (67 vs. 59 %).

Menschen, die zum Stammpublikum der öffentlich-rechtlichen Medien gehören – also zumindest einen TV- bzw. Radiosender oder ein digitales Angebot an vier und mehr Tagen der Woche nutzen – nehmen die zusammenhaltsbezogenen Leistungen deutlich stärker wahr als Menschen, die öffentlich-rechtliche Medien seltener oder gar nicht nutzen. Dies ist nicht überraschend, wobei die Studienanlage keine Aussage darüber zulässt, ob Menschen die Angebote seltener nutzen, weil sie sie schlechter einschätzen, oder ob sie die Leistungen nicht beurteilen können, weil sie die Angebote nicht ausreichend kennen.

Ein Befund, der sich durch die Studienergebnisse insgesamt zieht: Das Stammpublikum öffentlich- rechtlicher Audio- und Mediatheken ist bei allen abgefragten Leistungen häufiger als andere Befragte der Ansicht, dass diese erbracht werden. So stimmen 80 Prozent dieses Stammpublikums zu, dass die öffentlich-rechtlichen Medien Themen behandeln, die für die Gesellschaft wichtig sind (vs. 71 % aller Befragten). Fast ebenso viele (79 % vs. 63 % aller Befragten) sind der Ansicht, dass mit öffentlich-rechtlichen Sendungen wichtige Werte unserer Gesellschaft wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Toleranz vermittelt werden. Drei Viertel (74 %) des Stammpublikums der Audio- und Mediatheken sagen, dass öffentlich-rechtliche Medien Themen behandeln, die für sie wichtig sind (vs. 60 % aller Befragten) und 78 Prozent stimmen zu, dass vielfältige Geschichten über Menschen in Deutschland und Europa gebracht werden (vs. 65 % aller Befragten). Auch bei der dritten Dimension, der Dialogfunktion sind die Werte durchgehend höher: So ist das Stammpublikum der öffentlich-rechtlichen Audio- und Mediatheken beispielsweise zu 73 Prozent der Ansicht, dass diese viele unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, Meinungen und Anschauungen zu Wort kommen lassen (vs. 57 % aller Befragten).

Schlussfolgerungen

Die Studie liefert eine Reihe wertvoller Erkenntnisse zur Wahrnehmung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland und der Bedeutung öffentlich-rechtlicher Medien für dessen Stärkung.

Zunächst zeigen die Ergebnisse, dass die Deutschen die aktuelle gesellschaftliche Lage mehrheitlich eher kritisch einschätzen. Zugleich berichten aber auch deutliche Mehrheiten der Bevölkerung von starkem Zusammenhaltserleben im eigenen persönlichen Umfeld und von breiten persönlichen Unterstützungsnetzwerken. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären? Unzufriedenheit und Gefährdungswahrnehmung haben ihre Quelle bei vielen Befragten offensichtlich außerhalb des eigenen persönlichen Umfelds; gut denkbar, dass sich zumindest zum Teil hier auch die Krisen- und Polarisierungserzählungen auswirken, die seit einigen Jahren die öffentliche Debatte prägen.

Öffentlich-rechtliche Medien sind weiterhin eine wesentliche Infrastruktur des gesellschaftlichen Zusammenhalts. ARD, ZDF und Deutschlandradio erreichen nach wie vor nahezu alle Menschen im Land, und zwei Drittel der Deutschen sind Stammpublikum zumindest eines öffentlich-rechtlichen Angebots in TV, Radio oder Audio- und Mediatheken. Zwar fokussiert die öffentliche Debatte oft auf die nachrichtlichen und informierenden Leistungen, und für viele Menschen liegt hier auch eine Stärke der öffentlich-rechtlichen Medien. Doch für beträchtliche Teile des Publikums ist gerade der Genremix bedeutsam, mit anderen Worten: gerade die vielfältige Mischung aus Information und unterhaltenden Angeboten trägt zur Bindung der Menschen an öffentlich-rechtliche Medien bei. Bei Verzicht auf unterhaltende Angebote könnten öffentlich-rechtliche Medien weite Teile ihres Publikums nicht mehr erreichen und ihre integrierende Aufgabe nicht mehr in dem gleichen Maße wahrnehmen. Auch und gerade Menschen, die eher schwächer eingebunden sind bzw. die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet sehen, könnten dann schlechter erreicht werden.

Unter den Menschen, die gesellschaftlich stärker eingebunden sind – in Hinblick auf das eigene Zugehörigkeitsgefühl genauso wie eigene politische Aktivität – gehört ein größerer Anteil zum Stammpublikum öffentlich-rechtlicher Medien als unter den eher schwächer Eingebundenen. Daraus lässt sich nicht der direkte Schluss ziehen, die Nutzung öffentlich-rechtlicher Medien führe zu stärkerem Eingebundensein oder Engagement. Aber es ist zumindest der Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Varianten der öffentlichen Anbindung, also der verschiedenen Arten und Weisen, wie Menschen sich zueinander und der Gesellschaft zugehörig fühlen. Medien generell und öffentlich-rechtliche Medien im Speziellen sind hier der wesentliche Vermittler zwischen dem Einzelnen und der Welt jenseits des alltäglich erfahrenen Umfelds.

Die Studie macht deutlich, dass Menschen in Deutschland den Beitrag öffentlich-rechtlicher Medien zum gesellschaftlichen Zusammenhalt im Vergleich verschiedener Institutionen hoch einschätzen. Sie haben auch hohe Erwartungen an die zusammenhaltsrelevanten Leistungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio, also an die Synchronisierung geteilten Wissens und Erlebens, die Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt sowie die Förderung von Dialog und Verständigung. Die Einschätzung, dass öffentlich-rechtliche Medien entsprechende Leistungen auch erbringen, sind, wie bei solchen Vergleichen üblich, etwas schwächer ausgeprägt als die Erwartungen. Dennoch nehmen in vielen Bereichen deutlich mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland diese Leistungen als erfüllt wahr und auch die Summe der wahrgenommenen, unterschiedlichen Leistungsmerkmale ist bemerkenswert.

Dabei ist wenig überraschend, dass die Leistungswahrnehmung bei eher „öffentlich-rechtlich-fernem“ Publikum streckenweise deutlich niedriger ausfällt als beim Stammpublikum. Bemerkenswert erscheint, dass Jugendliche und junge Erwachsene, ebenso wie das Stammpublikum öffentlich-rechtlicher Audio- und Mediatheken viele Leistungen der öffentlich-rechtlichen Medien besser bewerten als es die Gesamtbevölkerung tut. Möglicherweise wirkt sich hier die Breite der Angebote, der vielfältige Genremix sowie die zeitunabhängige Nutzung von Inhalten aus, die digital verfügbar sind.

Die Menschen in Deutschland nehmen die zusammenhaltsbezogenen Leistungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio insbesondere in Hinblick auf die Synchronisierung geteilter Kenntnisse, Wissen und Erfahrungen sowie die Repräsentation unterschiedlicher Perspektiven und Lebensweisen wahr. Bei dialogbezogenen Leistungen fallen die Ergebnisse tendenziell etwas niedriger aus, was auf ein wichtiges Handlungsfeld hinweist: Öffentlich-rechtliche Medien könnten sich noch stärker als Infrastruktur gesellschaftlicher Verständigungsprozesse verstehen – also Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen miteinander ins Gespräch bringen und so gesellschaftliche Gräben zu überwinden helfen. Dies schließt auch mit ein, selbst ansprechbar und dialogbereit für das eigene Publikum zu sein. Bestehende Angebote könnten stärker bekannt gemacht und gegebenenfalls auch ausgebaut werden. In diesem Zuge lohnt es sich auch, das junge Publikum besonders in den Blick zu nehmen. Dessen Mediennutzung ist deutlich stärker von digitalen Angeboten geprägt, die – wie einleitend beschrieben – den Wandel gesellschaftlicher Öffentlichkeit vorantreiben. Für die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien und des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird es unverzichtbar sein, die heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen an gesellschaftlichen Verständigungsprozessen zu beteiligen. Dass sie den Beitrag öffentlich-rechtlicher Medien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt positiv beurteilen, stellt eine gute Grundlage dar.

Methodische Hinweise

Feldzeit der Studie
14.3. bis 17.4.2025
Grundgesamtheit
Deutschsprachige Personen ab 14 Jahren in Privathaushalten in Deutschland
Erhebungsmethode
Mixed-Mode-Ansatz (CATI 50%, CAWI 50%); CATI: Dual Frame-Stichprobe (60% Festnetz, 40% Mobil)
Auswahlverfahren CATI
Systematische Zufallsauswahl; ADM-Telefonstichprobe, Stand 2024
Auswahlverfahren CAWI
Random Quota-Auswahl nach Geschlecht, Alter, Bildung, Region mit disproportionaler Aufstockung der Ost-Bundesländer auf n = 368 (und anschließender Proportionalisierung der Gesamtergebnisse); Online Access Panel (horizoom)
Stichprobengröße
1.351 Befragte (CATI n = 675; CAWI n = 676)
Gewichtung
(1) Designgewichtung (Transformation) zur Korrektur unterschiedlicher Auswahlchancen in den Sampling Frames;
(2) Redressement-Gewichtung mit den Merkmalen Geschlecht*Alter, Bildung, Bundesland, Ortsgröße (Quelle: Strukturanalyse_b4p 2024 II_ 14+)